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Natur- und Geschichtsführung in Beilstein

Führung zu Wacholderheide und Verbiss im Wald und absterbende Eichen

Am Sonntag 30. Juni 2024 fand eine eindrucksvolle Führung durch den Heckenbacher Wald bei Beilstein statt, geleitet von Förster a.D. Jürgen Wagner. Die Veranstaltung, organisiert vom NABU unter Beteiligung des BUND, bot Einblicke in die Geschichte und Natur der Region und das große Problem mit Überweidung durch Wild.

 

Jürgen Wagner erklärte, ein Thema ist heute der Erhalt der Wacholderheide, die durch jahrhundertelange Überweidung durch Schafe im vorletzten Jahrhunderts entstanden ist. Es gibt nur noch 1 % davon. Nach dem Krieg, Anfang der 60er Jahre, wurden diese Flächen mit Fichten aufgeforstet als Nutzholz mit staatlichen Zuschüssen. Heute ist die Schutzfunktion wichtiger und deshalb wird für den Artenschutz die Wacholderheide als Offenland gefördert. Auf der Wanderung kam auch ein Wiesenstück mit Obstbäumen, hauptsächlich wilde Kirschen und Apfelbäume. Dies gehört seit 1920 dem Eifelverein, die Pflege erfolgt durch die Biotoppflege des Kreises.

 

Die Trockenheit der letzten Jahre hat viele alte Bäume stark geschädigt, auch Buchen und sogar trockenresistente Eichen. Die Kronen sind kahl, die Bäume werden absterben. Diese Bäume, oft 150 Jahre alt, eignen sich aufgrund ihres Zustands nicht für den Möbelbau und werden nur als Brennholz Verwendung finden. Doch was wird dann dort wachsen? Auf diesen extrem trockenen Standorten wird wohl eine Wiederaufforstung nicht möglich sein, diese Flächen gehen mit dem Klimawandel dem Wald verloren. 

 

Eine Lösung ist die natürliche Verjüngung des Waldes. Vor 20 Jahren wurde ein Waldstück eingezäunt, um junge Bäume vor Wildverbiss zu schützen. Heute stehen dort junge Buchen, die die Zukunft des Waldes sichern. Direkt daneben, ohne Schutzzaun, sieht man einen leeren Wald, ohne jeglichen Bewuchs am Boden. Daran erkannt man die Überweidung durch Hirsche. Hier entstand keine neue Baum-Generation.

 

Im 19. Jahrhundert war das Heckenbacher Tal dichter besiedelt. Während der nationalsozialistischen Zeit 1938 wurden 2400 Bewohner von 12 Dörfern umgesiedelt, um Platz für einen Luftwaffenübungsplatz zu schaffen. An den leerstehenden Häusern wurde geübt, Bomben abzuwerfen. Nach dem Krieg wurden vertriebene Ostpreußen aus dem Ermland angesiedelt, die katholisch waren und damit zu der Eifelbevölkerung passten. Sie haben mit bloßen Händen die Landwirtschaft in der steinigen Region wieder aufgebaut. Heute stammt ein Großteil der Milchproduktion im Kreis Ahrweiler aus Heckenbach.. Interessant waren die Futterfelder für die Kühe. Es wird Triticale angebaut, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen. Vom mageren Eifelgras kann eine Kuh keine 50 Liter Milch am Tag geben. Die Schutzzäune vor Wild waren beeindruckend. 2 Meter hoch und mit 7 Drähten – teilweise unter Strom – damit schützen die Bauern ihr Getreide, unten vor den Wildschweinen und oben vor dem Hirsch, der sonst auch über Zäune springet.

 

Die Nahrung des Wildes und dessen Einfluss auf die Vegetation war ebenfalls Thema. Denn am Fraß und Verbiss an den Pflanzen kann man die Überweidung feststellen. Die Lieblingsspeise von Rehen sind Waldweidenröschen, gefolgt von Himbeerblättern, Vogelbeeren und Weiden und wenn es sonst nichts mehr gibt von Brombeeren, die eigentlich das Winterfutter sind, wenn nichts anderes wächst. Wenn man im Wald nur noch Ginster und Fingerhut sieht, ist alles andere abgefressen. Wagner erläuterte, wie der Wildbestand seit der nationalsozialistischen Zeit hochgehalten wurde. Hegen und Pflegen, Auswahl der besten Tiere, Züchten von großen Hirschen mit kraftvollem Geweih war eine Philosophie in dieser Zeit. Die Zeiten änderten sich, aber die Wildbestände blieben. Am Weihnachtsabend 1971 brachte eine TV-Dokumentation von Horst Stern –„Bemerkungen über den Rothirsch“ die Schäden im Wald durch überhöhte Wildbestände ins öffentliche Bewusstsein. Das Thema Jagd und Wildbestand ist das längst anhaltende Problem, das bis heute nicht gelöst worden ist, seit über 50 Jahren“ so Wagner.

Erst seit die Gemeinde Heckenbach als Waldeigentümer und somit auch Jagdrechtsinhaber eine Reduktion der Wildbestände auf waldverträgliche Mengen einfordert, werden diese stärker bejagt, in Teilen des Waldes ist inzwischen eine deutliche Verbesserung feststellbar.

 

Die Führung durch den Wald bei Beilstein verdeutlichte die enge Verflechtung von Natur und der menschlichen Nutzung. Der Einsatz für den Erhalt der Wacholderheide, die Leistung der Bauern auf diesen schlechten Böden, die Herausforderungen der Wiederaufforstung durch zu hohe Wildbestände und die historischen Hintergründe des Kesselinger Tals wurden anschaulich im Gelände gezeigt – am Ende konnten die Gruppe sogar noch das Musikfest im Dorf besuchen, es wurde 66 Jahre Musikverein gefeiert, mit einem ordentlichen Mittagessen und Kaffee und Kuchen. So lernte die Gruppe die Nachkommen der Ermland-Vertriebenen noch persönlich kennen.

Jürgen Wagner und Teilnehmer der Wanderung am Zaun des Futtergetreides Triticale.

Ein Waldstück, ehemals mit Fichten bepflanzt, soll jetzt wieder in Wacholderheide entwickelt werden, was Jahrzehnte dauern wird, da es nicht mehr genügend Schafe gibt, die dabei helfen würden.

Abgestorbene Baumkronen der Eichen durch Trockenheit der letzten fünf Sommer.

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